Embryokultur für Bartiris

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Harald
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Embryokultur für Bartiris

Beitrag von Harald »

Embryokultur für Bartiris.

Bartirissamen keimen bekanntlich schlecht, dafür ist die Samenproduktion bei leicht wachsenden, normal fruchtbaren Zuchtsorten und Wildarten meist überreichlich. Embryonenkultur ist also nur dann sinnvoll, wenn es sich um kostbare wenige Samen handelt, z.B. von seltenen Spezies. Noch wichtiger ist aber, dass man mit Hilfe dieser Technik von gewissen Kreuzungen Sämlinge erhalten kann, die sonst nie möglich gewesen wären. Die Barrieren, die einer erfolgreiche Kreuzung zweier verwandtschaftlich entfernter Arten entgegenstehen, sind vielfältig und variantenreich. Entsprechend findet man sehr unterschiedliche Ergebnisse bei weiten Kreuzungen. Oft misslingt eine Kreuzung völlig weil eine Befruchtung gar nicht erfolgt ist. Manchmal entwickelt sich eine Samenkapsel und erreicht eine normale Größe, und doch sind die Samen in einem frühen Stadium abgestorben. Manchmal sind ein paar Samen darin, die offensichtlich in einem frühen Stadium abgestorben sind. Ich fand auch schon vielversprechende Samen, die weder Embryonen noch Nährgewebe (Endosperm) enthielten, die also nur aus einer Samenschale ohne Inhalt bestanden. Andererseits gab es auch Samen, die einen normal ausgebildeten Embryo enthielten, obwohl gar kein Nährgewebe vorhanden war. Häufig entstehen auch Samen, deren Nährgewebe flüssig bis käsig ist. Hier kann auch die etwas bekanntere Anschneidemethode nicht helfen.
Wenn es gelingt gesunde Embryonen unter sterilen Bedingungen aus solchen Samen herauszuholen und in ein Reagenzglas mit künstlichem Nährboden zu legen, kann man nach ca. 5 Tagen die Keimung beobachten.

Der Nährboden besteht aus einer Mixtur aus Zucker und Nährsalzen. Das Ganze wird mit Agar-Agar- Gelatine verfestigt, denn der Embryo darf nicht untergehen weil er Sauerstoff benötigt. In einschlägigen, meist wissenschaftlichen Artikeln, werden häufig Mischungen von verschiedenen Zuckerarten (Traubenzucker, Fruchtzucker, Malzzucker, Dextrin) empfohlen, wie auch ausgefeiltere Nährsalzmischungen. Ich habe gefunden, dass Haushaltszucker und handelsübliche Hydrokulturlösungen völlig ausreichend sind. Auch der pH-Wert kann vernachlässigt werden, wenn er nicht stark von dem Idealwert von 6-7 abweicht.

Steriles Arbeiten ist auch auf dem Küchentisch möglich. Eine Tischplatte kann mit einer frischen Tageszeitung abgedeckt werden. Resopal-Platten werden mit Spiritus vom Drogerie- Markt abgewischt. Arbeitsgeräte werden im Backofen bei über 150 °C erhitzt. Wenn man seine Fingernägel sorgfältig gereinigt und seine Hände bis zu den Ellenbogen gebürstet und gewaschen hat, sollte man sie noch einmal mit Spiritus oder einem ähnlichen Desinfektionsmittel einreiben. Dann kann man die Samen getrost beim Aufschneiden mit den Fingern anfassen.

Vorbereitung der Samen.
Am einfachsten ist das Arbeiten mit frischem Samen. Das Endosperm ist noch weich, die Samenkapsel, wenn noch nicht aufgeplatzt, kann dann vor dem Herausnehmen der einzelnen Samen ganz in Spiritus getaucht und abgeflammt werden. Die Samen sind in der geschlossenen Kapsel steril. Trockene Samen müssen, wie bei der Anschneide-Methode, mindestens eine Woche in Leitungswasser aufquellen. Am ersten Tag lasse ich sie für 24 Stunden in einer gesättigten Lösung von Spülmaschinen-Reiniger stehen, danach wird das Wasser täglich gewechselt.
Wird fortgesetzt
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Martin
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Re: Embryokultur für Bartiris

Beitrag von Martin »

Hallo Harald,

ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung. Das ist hoch interessant.
Viele Grüße
Martin
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Harald
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Re: Embryokultur für Bartiris (Teil 2)

Beitrag von Harald »

Embryokultur für Bartiris (Teil 2)

Erforderliche Geräte.
2 flache Teller als Arbeitsunterlage und zum Ablegen der benutzten Arbeitsgeräte,
2 gleich große Gestelle für die Reagenzgläser (eines ist voll mit vorbereitetem Nährmedium, das andere ist leer und soll die mit Embryonen bepflanzten Gläser aufnehmen,
1 Alkohol-Lampe, oder Irish-Coffee Brenner,
2 Trinkgläser mit Spiritus, eines zum wiederholten Desinfizieren der Finger und Arbeitsgeräte, das zweite nimmt vorübergehend die aufzuschneidenden Samen auf.
1 metallenes Skalpell mit auswechselbarer Klinge,
1 dünne Stricknadel aus Stahl, am Ende etwas gekröpft und nicht zu spitz geschliffen,
1 weich greifende Pinzette, um evtl. auf den Teller gefallene Embryonen aufzunehmen
1Rührbesen,
1 sterilisierbares Teesieb.
Zum Befüllen der Reagenzgläser braucht man einen Trichter und eine kleine Schöpfkelle. Der Trichter kann aus Plastik sein, muss aber kochendes Wasser aushalten können.

Die Prozedur zieht sich über zwei Tage hin. Am ersten Tag werden saubere Reagenzgläser im Backofen bei ca. 150° C sterilisiert. Gleichzeitig wird auf dem Herd das Süppchen gekocht. Ein Liter Wasser von Trinkwasserqualität wird in einen passenden, sauberen Kochtopf gegeben und bei kleiner Heizstufe langsam erhitzt. 3 -5 g Agar-Agar kann sofort unter Rühren zugefügt werden, da es sich nur langsam in Wasser löst. Wenn das Wasser kurz vor dem Kochen steht, können die beiden anderen Komponenten dazugegeben werden. 20 bis 25 g Haushaltszucker und Hydrokultur-Dünger für 1 Liter Gebrauchslösung. Von Agar-Agar gibt es verschiedene Produkte mit unterschiedlicher Gelierkraft. Da muss man etwas experimentieren. Wichtig ist, dass der Embryo auf dem Nährmedium liegen bleibt. Je weicher es ist, desto leichter kann die Keimwurzel eindringen. Wenn sich alles schön aufgelöst hat, können die noch heißen Reagenzgläser befüllt werden. Dazu benutzt man den Trichter und die Schöpfkelle, die vorher in einem zweiten Topf kurz abgekocht worden sind. Wenn alle Gläser etwa bis zur Hälfte gefüllt sind, werden sie mit einem Wattestopfen verschlossen. In der Apotheke oder im Dro-Markt gibt es Verband-Watte in Zick-Zack-Lagen. Davon schneidet man sich passende Stücke heraus, rollt sie zu einer kleinen Walze, knickt sie zusammen und stopft sie mit dem runden Ende voraus in die Öffnung des Reagenzglases. Der Wattestopfen ist keimdicht, erlaubt aber einen gewissen Luftaustausch. Da während dieser Prozedur die Gläser eine Zeit lang offen waren, ist es sinnvoll, die nun verschlossenen Gläser noch einmal zu sterilisieren. Ideal ist dafür ein großer Schnellkochtopf, es geht aber auch mit einem Einweck-Kessel. Es darf nur wenig Wasser eingefüllt werden, damit, wenn es kocht, die Wattestopfen nicht nass werden. Nun lässt man alles langsam abkühlen. Sollten nach dem Abkühlen noch Kondenswassertröpfchen in den Gläsern zu sehen sein, lässt man sie noch für einen Tag in einem beheizten Raum stehen.

Wird fortgesetzt.
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Harald
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Re: Embryokultur für Bartiris (Teil 3)

Beitrag von Harald »

Embryokultur für Bartiris (Teil 3).

Am nächsten Tag, oder wenn die Gläser abgekühlt sind, kann mit dem Aufschneiden der Samen begonnen werden. Zwei flache Teller (Essteller und Dessertteller), darauf liegend Skalpell, Nadel und Pinzette werden im Backofen noch einmal heiß gemacht. Wenn sie etwas abgekühlt sind, kommen sie auf den Küchentisch. In der Mitte steht der Essteller als Arbeitsplatte, rechts davon der Dessertteller zur Ablage der Werkzeuge. Auf der linken Seite steht eine brennende Alkohol-Lampe (Kerzen sind ungeeignet wegen der Rußbildung). Die zum Aufschneiden vorgesehenen Samen werden in einen Becher gegeben und mit Spiritus übergossen. Etwa 10 Samen werden mit der Pinzette einer nach dem anderen auf den Arbeitsteller gelegt, das letzte Korn wird an der brennenden Lampe entzündet und zu den anderen gelegt. Die brennenden Samen werden mit der Pinzette etwas hin- und hergeschoben, bis die Flamme verlöscht ist. Man fasst ein Samenkorn mit der linken Hand so an, dass das Hilum (die Stelle wo es in der Samenkapsel angewachsen war) zur Handfläche zeigt. Mit dem Skalpell wird ein Rundschnitt gemacht und dann das Korn durch Aufreißen geöffnet. Falls der Embryo nicht völlig frei liegt muss noch einmal nachgeschnitten werden. Der Embryo ist nicht mit dem Endosperm verwachsen und kann leicht mit der Übertragungsnadel aufgenommen werden. Häufig klebt er förmlich an der Nadel. Jetzt muss er aber auf den Nährboden, und das ist ein wenig schwierig, da einem eigentlich die dritte Hand fehlt. Man kann das alles aber unter nicht sterilen Bedingungen üben, vor allem muss man wissen wo der Embryo im Samen liegt. Nach jedem Gebrauch werden die Werkzeuge kurz in Spiritus getaucht und abgeflämmt, und erst dann wieder auf den sterilen Teller gelegt.
Wenn alle Samen verarbeitet sind, kommen sie in einen frischen Plastikbeutel um die Verdunstung möglichst klein zu halten. Stehen nämlich die Gläser während der Keimungs- und anschließender Wachstumsphase in sehr trockenem Milieu, schrumpft das Nährmedium, platzt auf, und die Wurzeln liegen frei. Ich habe mir darum einen Kulturkasten gebaut (im Sommer genügt aber auch eine helle Fensterbank). Der Kulturkasten ist eigentlich ein flaches Aquarium mit eingebautem doppelten Lochblech zum Aufnehmen vieler Kulturgläser. Das Aquarium steht auf einer 40 Watt Wärmeplatte, und als Lichtquelle dient ein Deckel mit vier eingebauten 40 cm Leuchtstoff-Röhren. Die Temperatur sollte zwischen 25 und 30° C liegen und wird eingestellt durch Heben oder Senken des Deckels. Ein wenig Wasser im Aquarium sorgt für die nötige Luftfeuchtigkeit. Wenn die Sämlinge drei Laubblätter entwickelt haben, das ist bei wüchsigen Exemplaren nach 5 Wochen der Fall, können sie in Erde (TKS = Torf-Kultur-Substrat, weil es weitgehend steril ist) verpflanzt werden. Ich verwende dazu 9 cm Plastiktöpfe, von denen 24 Stück in meine Untersätze mit Plastik-Haube passen. Dort bleiben sie eine Woche lang bei geschlossener Haube. Danach wird vorsichtig aber zunehmend gelüftet. Sie bleiben dann noch im Keller unter künstlichem Licht, und nach 4 - 5 Wochen erscheinen dann schon die ersten Würzelchen an den Abzugslöchern der Töpfe. Je nach Jahreszeit können sie dann auch ins Freie verpflanzt werden.
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Tetje
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Re: Embryokultur für Bartiris

Beitrag von Tetje »

Lieber Harald,

mit großer Freude habe ich diesen wissenschaftlichen
Beitrag gelesen und freue mich auf deine nächsten Beiträge. 8-)
Viele Grüße
Tetje

„Habt Ehrfurcht vor der Pflanze, alles lebt durch sie!“
Johann Wolfgang von Goethe
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Martin
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Re: Embryokultur für Bartiris

Beitrag von Martin »

Hallo Harald,

ich bin fasziniert. So präzise wie du die Vorgänge der Embryokultur vorstellst. Auf jeden noch so kleinen Schritt hast du hingewiesen. In keinem Buch findet sich diese Embryokultur so gut erklärt, wie du sie uns vorgestellt
und näher gebracht hast. Dafür großen Dank. ;)
Viele Grüße
Martin
Christiane

Re: Embryokultur für Bartiris

Beitrag von Christiane »

Lieber Harald,

auch ich bin total fasziniert von Deinem Beitrag. Ich finde ihn sehr lehrreich und interessant dazu. Dankeschön dafür. :D
Gast

Re: Embryokultur für Bartiris

Beitrag von Gast »

Bei Harald klingt das sterile Arbeiten irgendwie einfach. Und ich mache mich hier fertig, dass ich ja keinen Schritt falsch angehe bei der Orchideenaussaat und dann nur Pilze erhalte. :roll:
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